Sobald ein Mediziner eine Schwangerschaft diagnostiziert, ist der erste Reflex ein Rezept für Folsäure. Denn Folsäure ist von großer Bedeutung für die Kindesentwicklung, genauso wie für deine eigene Gesundheit.
Folsäure, Vitamin B9 oder auch Folat ist neben B12 der zweite wichtige Kofaktor für deine Methylierung.
Bei der Methylierung handelt es sich um ein zentrales Drehkreuz deiner Biochemiek denn erst durch Methylierung entstehen die Choline der Zellmembran, das Kreatin für Muskel- und Hirnfunktion, Epinephrin-Hormone für Energie und Aufmerksamkeit, das Schlafhormon Melatonin sowie der Fettverbrenner Carnitin.
Methylierung entschärft aber auch viele Problemstoffe wie den Entzündungsboten Histamin, den Krebsauslöser Östrogen, bis hin zum giftigen Arsen. Und ohne Methylierung gäbe es auch keine Regulation deiner Gene, denn die epigenetische Steuerung, das Ein- und Ausschalten der Gene, erfolgt durch Methylierung deiner DNA.
Nahrungsergänzung mit Folsäure?
Die Methylierung durch B9 ist bei Prozessen von Zellteilung, Wachstum und Alter besonders wichtig. Ein Folsäure Mangel in der Schwangerschaft hat fatale Folgen und so wird Schwangeren durchweg die Nahrungsergänzung mit B9 empfohlen.
Die Supplementierung mit B9 hat jedoch einen Haken, denn Folsäure ist nicht gleich Folsäure.
Biochemisch betrachtet ist Vitamin B9 / Folsäure ein Sammelbegriff für eine ganze Reihe chemisch sehr ähnlicher Verbindungen, die sich allerdings sehr stark in ihrer biologischen Wirkung unterscheiden.
In der Natur und damit in unseren Lebensmitteln finden wir B9 als Tetrahydrofolat. Dies ist die direkte Vorstufe zum biologisch aktiven Methylfolat.
Medizinprodukte und Nahrungsergänzung enthält aber häufig synthetische Folsäure. Sie ist chemisch stabil, kostengünstig und wird im industriellen Maßstab hergestellt.
Folsäure kontra Folat
Synthetische Folsäure ist von der Natur so nicht vorgesehen und kann deshalb nur über eine Nebenreaktion der Leber zu Folat und Methylfolat umgewandelt werden.
Das Problem: dieses Nebengleis ist wenig effizient, sodass nur ein geringer Teil der Folsäure tatsächlich zum aktiven Methylfolat umgebaut werden kann.
Das dabei entstehende Methylfolat reicht zwar von der Menge her aus, um einen lebensbedrohlichen Mangel zu beheben und Geburtsschäden vorzubeugen. Es verbleibt daher eine große Restmenge der synthetischen Folsäure, die in den Körperkreislauf gelangt und dort für Probleme sorgt.
Der Grund: die meisten Enzyme und Zellfaktoren können Folsäure nicht von Folat unterscheiden.
So kann Folsäure die Rezeptoren für das natürliche Folat besetzen und in den Zellgeweben ganze Stoffkreisläufe stören.
Das Resultat: Folsäure hemmt die Methylierung, die sie ja eigentlich verbessern sollte.
Synthetische Folsäure wird zum Gegenspieler des Methylfolats, ist sein kompetitiver Hemmstoff, stört die normale Genfunktion des MTHFR und wirkt sich letztlich fatal auf die Methylierungsprozesse samt Epigenetik aus.
Leider ist dieser Zusammenhang auch in der Medizin und Fachkreisen bisher immer noch unzureichend bekannt.
Die Studien zur Wirksamkeit der Folsäure als Nahrungsergänzung stammen aus dem Tierversuchen mit Ratten. Der Folatstoffwechsel der Ratte tickt jedoch deutlich anders als bei uns:
Die Umsetzung von Folsäure zu Folat ist in der Rattenleber um den Faktor 200 höher als in der menschlichen Leber! Überschüssige Folsäure ist für die Ratte also kein Thema, für uns dagegen sehr wohl.
Bei Supplementierung mit Vitamin B9 sollte deshalb darauf geachtet werden, ob das Präparat synthetische oder natürliche Folsäure enthält. Es ist deshalb sehr erfreulich, dass sich die englische Nomenklatur der Folsäure-Varianten auch im deutschen Sprachraum zunehmend durchsetzt. Mehr und mehr B9-Produkte kommen als „Folat“ auf den Markt und sind auch dementsprechend deklariert.
Daher mein Tipp:
Vermeide Vitaminpräparate mit Folsäure
Schau dir deinen Multivitaminsaft genauer an. Steht auf der kleingedruckten Zutatenliste Folsäure oder Folat, Tetrahydrofolat, MTHF?
Oftmals findet sich die Bezeichnung „B-Komplex“ auf den Produkten. Achte darauf, dass dort B9 als Folat und B12 als Methylcobalamin enthalten sind.
Bei Health-Produkten, Sportriegeln, Fitnessbroten und Co. kann es ebenfalls nicht schaden, in der Zutatenliste nach Folsäure Ausschau zu halten.
In der EU können wir uns übrigens sehr glücklich schätzen, denn in den USA und Kanada ist der Zusatz von Folsäure inzwischen gesetzlich vorgeschrieben. Mehl, Brot, Cerealien, Pasta und Reis gibt es dort nur noch mit diesem Problemzusatz. Aber auch in Nachbarländern wie der Schweiz werden mehr und mehr Lebensmittel mit Folsäure versetzt.
Wem an seiner Gesundheit gelegen ist, der sollte deshalb bei Reisen in diese Länder darauf achten, Convenience-Produkte zu meiden und sich stattdessen mit ursprünglichen Lebensmitteln, Gemüse, Hülsenfrüchten, Fleisch und Obst zu ernähren.
In welchen Lebensmitteln finde ich wie viel Folat und natürliche Folsäure?
Die beste Quelle für eine gute Versorgung mit der richtigen Folsäure und für eine effiziente Methylierung sind unsere natürlichen Lebensmittel.
Vor allem tierische Leber, dunkles Blattgrün, Gemüse und Nüsse sind reich an Folat und bei täglichem Konsum lässt sich die Nahrungsergänzung mit Folsäure komplett vermeiden.
Sinn und Unsinn von Nahrungsergänzung
Der Mensch braucht seine Vitamine, Minerale und an die 90 Spurenelemente. Dazu diverse Helfer bei Sonderbelastungen wie Sport, Stress, Schlafmangel, Krankheit oder Alter.
Diese Nährstoffe immer wieder in ausreichender Menge zu bekommen, ist nahezu unmöglich. Denn selbst wenn du deine Ernährung zum Hauptberuf machst, enthalten viele Lebensmittel einfach nicht das, was sie enthalten sollten.
Der Grund:
Dem Boden und Grundwasser fehlen schlichtweg die Spurenelemente. Aufgrund der natürlichen Bodenbeschaffenheit, aber auch durch Auszehrung nach 2.000 Jahren Landwirtschaft. Und wenn der Boden kein Jod, Mangan oder Selen mehr enthält, fehlen diese Spurenelemente natürlich auch in der Pflanze und im Lebensmittel.
Darüber hinaus sind die heutigen Agrarböden mikrobiell verarmt. Es fehlen die Pilze und Mikroben, die Mikronährstoffen aus dem Boden lösen und für Pflanzen verfügbar machen. Infolgedessen enthalten auch die Pflanzen und Ernteerträge kaum noch Spurenelemente.
Welche Nahrungsergänzung ist wichtig und sinnvoll?
Das Beispiel von Folsäure und Folat zeigt recht deutlich, dass Nahrungsergänzung eine komplexe Materie sein kann. Denn wie soll sich der Laie zurechtfinden, wenn selbst der Fachmediziner mit den Details der Biochemie überfordert ist?
Für Nutzer der Foodfibel-App habe ich daher einen eigenen Bereich Nahrungsergänzung hinzugefügt, der die wichtigsten Mikronährstoffe für deinen biologischen Typ und deine Zwecke benennt:
- Unter Nahrungsergänzung findest du die Kategorien „Täglich“, Zellenergie, Training, Lebersupport, Darmgesundheit und Langlebigkeit.
- Die Empfehlungen für Supplements sind nach ihrer Wichtigkeit absteigend gelistet.
- Diese Übersicht enthält zudem eine Anleitung zu Dosierung, Zeitpunkt der Einnahme und Produktvorschlägen.
Allerdings sollte Nahrungsergänzung immer nur eine Ergänzung der Nahrung sein. Denn je gesünder deine Ernährung, desto weniger Supplements wirst du benötigen.
Für eine solide Grundversorgung empfehle ich eine ausgewogene und typgerechte Ernährung.
Weiterlesen:
Quellen:
PubMed: Folate and DNA Methylation
The little known difference between folate and folic acid
Autor: Dipl. Biol. Frank Lewecke
Frank Lewecke ist Diplom-Biologe, Gründer und Autor von Foodfibel.de.
Als Ernährungstherapeut gilt sein Augenmerk der Gesundung von Menschen durch funktionale Medizin und typgerechte Ernährung.
Biologie-Studium an der Universität Bayreuth. 1989 Vordiplom in Biologie und Physiologie. 1993 Biologie-Diplom in Genetik, Mikrobiologie, chemischer Ökologie und Toxikologie. 1994 Doktorand im DFG Graduiertenkolleg an der medizinischen Klinik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. 1995 Freiberuf, Publikationen, Fortbildungen, Ayurveda. 2016 Gründung der Foodfibel. 2018 Entwickler der Foodfibel App.
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